Schulchronik Waakhausen 1914 - 1918

 

 

 

 

 

 

 

 

Infolge der Gummiknappheit mußte am 12. Aug. 1916 der größte Teil der Fahrräder festgelegt werden. Die Inhaber wurden aufgefordert, den Gummi gegen eine geringe Vergütung an den Sammelstellen zur freiwilligen Abgabe abzuliefern, um einer späteren Enteignung vorzubeugen. In erster Zeit wurden fast sämtliche Gesuche um weitere Benutzung der Räder glatt abgeschlagen

 

Der große Völkerkrieg 1914/1918

Eine dumpfe Gewitterstimmung lagerte sich Mitte Juli infolge der politischen Lage auch über unsere Gegend. Mit jedem Tage wurde sie drückender und im täglichen Laufe hemmender. Jeder merkte, daß etwas Großes im Anzuge war, hoffte aber doch wegen der bekannten deutschen Friedlichkeit noch auf eine gütliche Beilegung, einen Weltbrand über ganz Europa konnte man durchaus nicht fassen. Und doch, es sollte kommen. Als unsere Regierung die Kriegsbereitschaft verkündigte, wich auch die letzte Hoffnung. Zunächst war unser Volk wie vom Schlage getroffen und alle Arbeit stockte. Als endliche eine Kriegserklärung die andere drängte, zeigte sich bei den meisten unserer Bewohner zunächst eine Mutlosigkeit, ja man möchte fast sagen: Verzweifelung. Schon sah man die wilden Garden im Lande hausen oder hörte an der Küste die Engländer unsere Flotte vernichten usw. Die ungläubigsten Dinge wurden verbreitet. In jedem Freunde witterte man einen Spion. Dutzendweise sollten sie in Bremen und anderweits erschossen worden. Französische Flieger sollten unsere Gegend unsicher machen. In Bremen herrschte Revolution, die Sozialdemokraten hätten einen großen Teil der Straßenbahnwagen zerschlagen. Es hieß, daß die Kassen, Postanstalten und Geschäftsleute wurden bestürmt, um schleunigst alles Papiergeld einzutauschen. Einige Kaufleute verloren auch den Kopf, infolge sie für gewisse Waren unerhörte Preise forderten, für Salz z. B. das Pfund 25 Pf. (sonst 10). Alle Beschwichtigungsworte Einsichtiger waren zunächst nutzlos. Ich sagte gleich: „Erst müssen unsere Krieger alle von dannen sein, dann wird es wieder besser.“ Und so kam es dann auch. Schwer und rührend war meistens der Abschied, die ganze Ortschaft zeigte durchweg gleichen Anteil. Nur die allernotwendigsten Arbeiten wurden verrichtet, im übrigen stockte die Arbeit völlig. Sehr erhabend und beruhigend war bei uns das Anerbieten von Bremern, die sich freiwillig unserer Landwirtschaft zur Bergung der Ernte zur Verfügung stellten, allen voran der „Jungdeutschlandbund.“ Wenngleich viele sich bei der harten Feldarbeit bitter enttäuscht sahen und auch mancher Arbeitgeber enttäuscht wurde, so machte es doch einen gewaltigen Eindruck, daß Stadt und Land nun auf einmal so schön Hand in Hand gingen. Dazu wurde manche bedrängte Familie in den ersten Tagen durch die furchtlose Jugend der Stadt von neuem belebt. Freudestrahlend sagte mir ein hiesiger Einwohner: „Wir haben für unsere beiden Söhne jetzt schon 2 wieder.“ Drollig war es, als spät abends noch 2 junge Burschen bei mir anklopften, meine Schwiegermutter, die gerade zu Besuch hier war, denkt nicht anders, es seien 2 junge Russen und bittet meine Frau, sie doch nicht zu beherbergen. Sie hatten vom frühen Morgen bis zum Abend sich Arbeit gesucht. Mit 3 Mann waren sie in Bremen aufgebrochen. Sie waren nun die letzten, denen ich am anderen Morgen einen Platz verschaffte. So groß auch die Tränensaat war, so vernahm man doch kaum einen Ton des Mißmutes. Jedermann erwartete vielmehr einen kurzen, wenn auch blutigen, so doch siegreichen Kampf. „Wehe dem Russen, der mir in die Hand kommt, ich werde ihm die Knochen zerdrücken!“ so sagte mir kurz vor dem Abschied ein hiesiger Landwehrmann. „In Paris sehen wir uns wieder,“ meinte ein anderer. Eine kolossale Wut erhob sich allgemein gegen England, die eigentlichen Schürer des ganzen Krieges, ganz besonders, nachdem es Deutschland ohne jeglichen Grund den Krieg erklärte. Jeden Tag glaubte man, nah Cuxhaven die englischen Kanonen erbrüllen zu hören, und als nun nach einigen Tagen wirklich Kanonendonner auf der See vernehmbar wurde, es war Übungsschießen unserer Marine, bzw. waren es die Detonationen von der Sprengung gewisser Baulichkeiten an der Küste durch unsere Pioniere, da waren es unbedingt die Engländer.

 

Erst nach den Mobilitätstagen trat allmählich wieder Ruhe ein. Alles ging wieder seiner gewohnten Hantierung nach. Trotz dem das Geld mit jedem Tage mehr an die Reichsbank eingeliefert und immer mehr Papiergeld, Reichsdarlehensscheine zu 5, 2 und 1 M in Umlauf kamen, - gewöhnte das Publikum sich doch sehr bald an die neuen Zahlungsmittel. Nur die Flieger und Spione arbeiteten noch länger in dem Hirn ängstlicher Gemüter. Aus Vorsicht wurden sämtliche Brücken u.s.w. lange Wege hinzu Tag und Nacht bewacht. Waakhausen mußte an der Bewachung der Hammebrücke teilnehmen. Die Leitung dazu hatte der Kriegerverein Worpswede dazu übernommen. Zu beiden Enden der Brücke wurden richtige kleine Schilderhäuschen errichtet, und mit einigen Gewehren versehen, späten nun die Posten nach oben und nach unten.

 

Infolge der herrlichen Siegesnachrichten durch unsere Heldenarmeen verschwand die dumpfe Gewitterschwüle nun bald ganz. Auch die gewaltige Opferwilligkeit, die überall in Stadt und Land unter dem Rausche der Siegesglocken einsetzte, war bewundernswert und mag manchem Krieger den Abschied erleichtert haben, wußte er doch, daß für seine Lieben daheim gesorgt wurde. Die erste Sammlung galt für das Rote Kreuz. Abgesehen von Naturalien wurde in Waakhausen 165 M, in Viehland 78 M gespendet. Sodann galt es, für unsere durch den Krieg direkt oder indirekt Geschädigten aufzukommen, zu diesem Zwecke wurde für das ganze Kirchspiel Worpswede eine gemeinsame „Kriegshilfe“ ins Leben gerufen, die aus freiwilligen Gaben, aus monatlichen Leistungen der einzelnen Ortschaften und der verschiedenen Vereine gespeist wurde, so daß in Zukunft jeder bedürftigen Familie außer der staatlichen nun auch noch eine freiwillige Beihilfe gewährt werden konnte. Zu Neujahr (bei der Zinsen- u. Rentenzahlung) konnten z. B. rund 2000 M verteilt werden.

 

In Worpswede bildete sich unter der Leitung der Frau Behrens (Gemeindevorst.) eine besondere Hilfsvereinigung, die zunächst fürs Rote Kreuz, sodann aber auch für die notleidenden Ostpreußen und diejenigen unseres Kirchspiels arbeitete. Ungeheure Mengen Apfelmus, Saft, eingemachte Bohnen etc. wurden hergestellt. Auch aus unserem Orte beteiligten sich einige junge Mädchen und Frauen sehr rege an dieser Liebestätigkeit, ebenfall an dem von Frau Behrens veranstalteten Nähen und Flicken für gesammelte Kleidungsstücke (Westen, Unterzeug u.s.w.) für unsere Krieger und die Ostpreußen. Es würde zu weit führen, diese emsige Tätigkeit weiter zu schildern. Nur das mag hier noch hervorgehoben werden, daß an sämtlichen wohltätigen Bestrebungen Herr Pastor Röhrbein und Frau Behrens den allergrößten Anteil haben.

 

Kriegsteilnehmer

In den ersten Tagen der Mobilmachung hatten sich aus Waakhausen zu stellen: 1. Wehrmann Eduard Nothroth, 2. Wehrmann Diedrich Schnaars, 3. Wehrmann Johann Schnaars, 4. Wehrmann Diedrich Verdenhalven, 5. Wehrmann Fritz Verdenhalven, 6. Wehrmann Georg Verdenhalven, 7. Wehrmann Hans Warnken, 8. Wehrmann Joh. Witten (zuletzt in Bremen). Aktiv dienten: 1. Musketier Hinrich Ebbers, 2. Musketier Diedrich Behrens und 3. Musketier Lüder Witten. Nachtäglich eingezogen wurden: 1. Musketier Bernhard Witten (Rekrut) 2. Ersatzreservist Diedrich Merthens und 3. Ersatzreservist Heinrich Haar.

 

In Viehland brauchte sich nur Reservist Albert Murken zu stellen. Nachträglich eingezogen wurde noch Füsilier Johann Feldhusen (Rekrut). Als Landsturmmänner (gediente) kamen in Waakhausen Georg Oetjen, Johann Grimm und Lehrer Fittschen in Frage, in Viehland nur Johann Wellbrock. Alle 4 mußten sich am 10. bzw. 12. Mobilmachungstage in Bremen stellen, wurden aber zunächst als überzählig wieder entlassen. Vom ungedienten Landsturm wurden Diedr. Schaars (bei Semken) und Albert Mahling ausgehoben.

 

Verluste

Leider mußte unsere kleine Ortschaft schwere Opfer bringen. Den Heldentod starben: Johann Witten am 28. Aug. bei Hohenstein, Johann Schnaars am 17. Sept. bei Chyrry und Lüder Witten am 17. Okt. bei Bailly.

 

Leichte Verwundungen trugen H. Ebbers, Hans Warnken und Ed. Nothroth davon. Letzterer erhielt aus Unvorsichtigkeit von einem deutschen Kameraden einen Schuß durch die Ohrmuschel, nachdem durch dieselbe Kugel 1 Kamerad tödlich, ein anderer schwer verwundet worden war.

 

Lür Witten starb den Heldentod, nachdem er 2 Tage zuvor erst das Eiserne Kreuz erhalten hatte. Er schreibt darüber an seine Eltern: „Ich habe bereits, soviel ich bestimmt weiß, 13 Treffer. Übrigens bin ich eine Patrouilli gegen den Feind gegangen, habe eine gute Meldung gebracht und bin hierfür zum Eisernen Kreuz eingereicht worden. Wie mir der Hauptmann es mitteilte, hätte ich vor Freude wohl heulen mögen, könnt infolge dessen mit eurem Sohn zufrieden sein. Braucht euch um mich gar nicht zu sorgen, ein guter deutscher Soldat steht unter Gottes Schutz.“

 

Der Bruder von dem L. Witten, Landm. W. fiel bereits als sein Regiment eben erst den Zug verlassen hatte und Teile desselben neben einem Schuppen Aufstellung genommen, so daß er selber kaum den Freind zu sehen bekam.

 

Wehrmann Joh. Hinr. Schnaars, gedienter Gardist, in jeder Weise eine stattliche und kräftige Person, erhielt die tödliche Kugel (Kopfschuß) als er mit seinem Major und noch einigen Kameraden einen gefährlichen Patrouillengang ausführte. Er wurde am folgenden Tage neben seinem Major von seinen Kameraden auf einem kleinen Hügel bestattet.

 

Die größten Strapazen mußte wohl Wehrmann Warnken machen, der sich bei dem „Gardereisezug“ stellen mußte (II. Garde Res. Reg.) Quer durch Belgien in Frankreich hinein, dann nach Ostpreußen, zurück nach Schlesien, war hier in Polen hinein bis an die Weichsel bei Iwangorow, zurück an die Grenze und dann wieder in Richtung Lods in Polen hinein.

 

Von einer wunderbaren Rettung berichtet Musketier Diedrich Behrens. „In dem Erdloch, in dem ich die Nacht über geruht hatte, wurde mein Nachfolger erschossen (18. Sept.) Ich wäre nicht herausgegangen, wenn ich nicht von einem Untenoffizier zu Bewachung nach einer gefährlichen Stelle geschickt worden wäre. Als es dann Tag wurde, wollte ich mich wieder in das Loch legen, da hatte sich ein anderer hineingelegt und ich mußte mir ein anderes machen, was mir gar nicht paßte. 2 Stunden später war er eine Leiche, und ich laufe noch hier.“

 

Ostpreußische Flüchtlinge

Auch unsere Schulgemeinde mußte anfangs Dezember einige ostpreußische Flüchtliche aufnehmen, zunächst kamen nach Waakhausen nur 4, nach Viehland 2, später nach W. noch 3 und nach V. 2. Im großen und ganzen fanden sie hier eine freundliche Aufnahme. Da die Familienmitglieder ungern auseinander gingen, gab es einige Schwierigkeiten, sie unterzubringen. Unter ihnen war 1 Schulknabe von 9 Jahren, der für den Winter über die Schule besuchte.

 

Folgen des Krieges bei uns

Abgesehen von den Ostpreußen, die uns die Kriegsgreuel im Osten predigten, war bei uns vom Kriege fast nichts zu verspüren nur die Preise für Mehl, Kartoffeln, Kolonialwaren, Vieh etc. schnellten bald in die Höhe oder wie beim Vieh in die Tiefe. In etwa 2 Monaten war die Futtergerste verbraucht, die deutsche Malzgerste, die bald sehr begehrt war, stieg auf 24,50 M pro Sack (150 Pfund) Kartoffeln erzielten den doppelten Preis wie im Vorjahr (Sack 5 – 6 M) der Ferkel- und Faselschweinehandel erlahmte fast ganz. Für 50 Pf. pro Lebenswoche konnte man Ferkel genug kaufen. In großen Mengen wurden schon im November Ferkel von 20 – 30 Pfund Schlachtgewicht geschlachtet. Durch Festsetzung von Höchstpreisen und Verbot, Roggen und Weizen an das Vieh zu verfüttern, konnte es erreicht werden, die Preise wenigstens noch in erschwinglicher Höhe zu halten und gleichzeitig einen Brotmangel vorzubeugen. Gleichzeitig wurde regierungsseitig das s. g. Kriegsbrot eingeführt. Zu jedem Weizengebäck mußte mindesten 10 % Roggenmehl, zu jedem Roggenbrot mindesten 5 % Kartoffeln genommen werden. Die Kolonialwaren hielten sich in den ersten Monaten, abgesehen von Reis, noch fast in der alten Preislage. Ende Dezember stiegen einige Sorten sehr rigide, Korinthen z. B. auf 70, Rosinen auf 1,10 M pro Pfund. Fleisch ging infolge des großen Angebotes in den ersten 5 Monaten sogar zurück, dagegen stiegen sehr alle Fette, Butter auf 1,70 M, Schmalz 1,20 M. Die größte Schwierigkeit machte das Petroleum. Um mit den Vorräten möglichst lange auszukommen, durften die Kaufleute z. Zt. nur 1 l an die Kunden verabreichen. Für die Kaufleute bildete Petroleum jetzt ein richtiges Lockmittel. In den Häusern brannten auf Fluren und in Küchen den Winter über vielfach wieder die kleinen, wenn auch verbesserten Petroleumkrüsel. Auf den Dielen sah man Azetylenlaternen und in den Stuben Talglichter. Dank der kräftigen Kriegshilfe war von einer wirklichen Not aber nirgends die Rede, vielmehr wurden alle kleinen Opfer ohne Murren und Zagen gerne gebracht. „Wenn wir nur siegen, dann haben wir alles gar nicht in Rechnung!“ So hört man immer und immer wieder.

 

Viehzählung am 1. Dez. 1914

31 Pferde, 312 Stück Rindvieh, 53 Schafe, 313 Schweine und 9 Ziegen

 

 

Weitere Kriegsverordnungen

Wegen der Futtermittelknappheit wurde trotz der Warnungen seitens der Presse oder durch Einsichtige eine große Menge Brotkorn an das Vieh verfüttert. Um dem ein Ende zu machen, fand anfangs November seitens der Regierung ein allgemeines Roggenfutterverbot statt, leider viel zu spät, denn bei den im Januar 1915 stattfindenden Kornvorräteaufrufen erwies sich doch ein so erheblicher Fehlbestand, daß sofort eine Streckung des Brotkorns vorgenommen werden mußte. Weizengebäck verschwand fast ganz. Es entstand das s. g. Kriegsmehl, 60 % Weizen, 30 % Roggen und 10 % Kartoffelmehl. Zum Roggenbrot mußten mindesten 10 % Kartoffeln genommen werden.

 

Im übrigen ging alles seinen gewohnten Gang. Die Frühjahrsbestellungen verliefen glatt und ohne Störung. Das Vieh mußte zwar recht frühzeitig auf die Weide getrieben werden, weil die Futtermittel knapp wurden, erholte sich dort aber wegen der trockenen Witterung zusehens. Die Kraftfuttermittel waren so gut wie aufgezehrt. Nur Rübenschnitzel und Rohzucker waren noch genügend vorhanden. Als bis dahin in Norddeutschland unbekanntes Futtermittel fand man jetzt den Rohzucker in jeder Viehhaltung, wo Pferde, Kühe, Schweine und Hühner ihn sehr gern zu sich nahmen. Sehr sparsam wurden hier und in der Umgegend die Speisekartoffeln. Sie stiegen pro Zentner auf 6 M u. höher und waren im Kreise Osterholz kaum noch aufzutreiben. Auf Anordnung unseres Hilfsausschusses zu Worpswede wurde im Laufe des Frühsommer 1915 ab Bahnhof Worpswede 3 mal an die Minderbemittelten Kartoffeln zu ermäßigten Preisen abgegeben. Schlechte Zeiten hatten auch die Kuchenbäcker. Um Fett und Mehl zu sparen, wurde zu Ostern und Pfingsten seitens der Regierung das Kuchenbacken aus Weizenmehl gänzlich verboten. Auch straks verschwand der bessere Kuchen so ziemlich ganz aus den Häusern. Bei kleineren Familienfesten traf man meistens nur Kartoffelkuchen, entweder aus vorher geriebenen Kartoffeln oder aus Kartoffelmehl hergestellt. Ebenfalls kam ein neues Mehl, das Tapiokamehl in Gebrauch, um besonders bei feinen Backwaren Verwendung zu finden.

 

Heftige Nachtfröste und Dürre

In den Monaten Mai u. Juni 1915 herrschte leider in ganz Deutschland fast stets große Dürre, so daß auf den Weiden und Wegen vielfach das Gras verbrannte und Hafer und Kartoffeln nicht gedeihen konnten. Hierzu gesellte sich Ende Mai und anfangs Juni noch heftiger Nachtfrost. In der Nacht vom 1. - 2. Juni verfroren sämtliche Frühkartoffeln und Bohnen und in der Nacht von 14. – 15. Juni in der ganzen Feldmarkt sämtliche Kartoffeln, Bohnen, Gurken u.s.w. Im Schulgarten war einige Tage später alles vollständig schwarz, selbst die Stengel waren bis auf den Grund verfroren. Die Bohnen mußten größtenteils 3 mal gepflanzt werden. Auf dem Sandboden erholten die Kartoffeln sich weder schnell und lieferten eine gute Ernte, hier gab es nur eine sehr dürftige. Auch die Roggenblüte hatte im Moor stark gelitten, so daß der Ertrag nur gering blieb. Hafer u. Kartoffeln lieferten hier mehr eine Mißernte, dgl. Bohnen und Gurken.

 

Im Juli 1915 wurde auch bei uns wieder verschiedene Landsturmleute (gediente) eingezogen, es waren hier Welbrock – Viehland, Georg Oetjen und ich aus Waakhausen (12. Juli). Wie an so vielen Orten, mußte daher auch für die hiesige Schule eine Vertretung eingerichtet werden, und diese erhielt Lehrer Welbrock aus Wörpedorf. Die Kinder erhielten während dieser Zeit bis Ende Januar 1916 nur an 3 Tagen der Woche Unterricht. Mehrfache Versuche seitens des Schulverbandes bzw. des Schulvorstandes, den Lehrer wieder frei zu bekommen, scheiterten. „Waakhausen kann genügend vertreten werden,“ hieß es stets wieder. So mußte ich dann als schwer herzleidender, der nun von der Militärbehörde als „arbeitsverwendbar“ erklärt wurde, am 27. Sept. 1915 zur Zeit der französischen Offensive als Armierungssoldat mit auf den westlichen Kriegsschauplatz, während so und so viele jüngere und sogar felddienstfähige Kollegen gemütlich zu Haus bleiben konnten. Wenn ich jetzt an die Strapazen zurückdenke, ist es mir heute noch ein Rätsel, daß mein Zustand mich noch dazu befähigte. Als eine wahre Erlösung kam mir Ende Januar 1916 die Reklamation meiner Behörde. Ich sollte in Ueberhamm einen erkrankten Kollegen vertreten, ein Kranker einen Kranken. Am 23. Januar traf ich wieder in der Heimat ein, zunächst nur als Beurlaubter. Nach 3 Tagen brachen meine Kräfte völlig zusammen. Mit dem 1. Februar übernahm ich zwar den Unterricht wieder, um die Vertretung von auswärts zu ersparen, mußte mir aber die größte Schonung auferlegen. Mitte Febr. mußte ich mich beim Landst. Ers. Batl. Hamburg II zwecks Feststellung meiner Dienstfähigkeit vom Amtsarzt untersuchen lassen. Einige Tage später wurde ich bis auf weiteres ganz entlassen. Gleichzeitig empfahl derselbe mir zwecks Herstellung meiner Gesundheit sofort nach Rückkehr von meiner Dienstbehörde gänzlichen Erholungsurlaub zu erbitten. Ich beantragte dieserhalb einige Schonung und erhielt die Erlaubnis, bis Ostern nur beschränkten Unterricht zu erteilen. So erhielten die Kinder einige Wochen hierdurch wöchentlich nur 24 Stunden, später 27.

 

Da während meiner Abwesenheit die Chronik ruhte, mußte ich diese Zeit ziemlich unberücksichtigt lassen, nur auf einige Punkte möchte ich kommen.

 

Kriegsbetstunden

Wie im ganzen Kirchspiel, so fanden im Winter 1915/16 auch in hiesiger Schule allmonatlich durch Herrn Pastor Röhrbein s. g. Kriegsbetstunden statt. Wegen der unglücklichen Wasserverhältnisse und langen Wege ließ leider der Besuch zu wünschen übrig.

 

III. Reichsanleihe

Zum 1. Male wurde bei der III. Kriegsanleihe auch die Schulen mobil gemacht, um einen guten Erfolg zu sichern. In hiesiger Schule wurden 1125 M gezeichnet, in Beträgen von 1 – 300 M. Die Gelder wurden der Worpsweder Sparkasse überwiesen, die dafür Anleihepapiere kaufte. Die Sparkasse verzinst den Einlegern das Geld mit 5 % pro anno und zahlt das Kapital ein Jahr nach Friedensschluß wieder zurück.

 

Hochwasser

Im Winter 1916 stieg das Wasser in unserer Gemarkung so hoch, wie es in 20 Jahren nicht mehr gewesen war. Die Kinder fuhren von Viehland ganz per Schiff auf dem neuen Wege entlang bis nahe an den Schulgarten. Das ganze Schulgehöft stand unter Wasser, die Schule lag also völlig auf einer Insel. Am 14. Januar erreicht der Wasserstand seinen Höhepunkt. Bis Anfang Februar blieb der neue Weg bis zu Verdenhalvens Hof noch unter Wasser. Die Äcker und Weiden bildeten teils wieder das schönste „schwimmende Land von Waakhausen.“ Große Löcher wurden von den Fluten gerissen, und große Schollen trieben im Wasser umher und wurden später vielerorts niedergesetzt, auch auf dem neuen Wege. Die größte mir bekannte Scholle legte sich quer über J. Welbrocks Weg in Viehland.

 

Maßnahmen der Behörden zwecks Begegnung der Aushungerungspolitik seitens Englands.

Da unser überseeischer Handel durch den Krieg gänzlich brachgelegt wurde, Deutschland also in seiner Versorgung so gut wie auf sich selbst angewiesen war, mußten seitens der Staatsverwaltung recht einschneidende Maßnahmen getroffen werden, um auch im Lande durchhalten zu können. Die Bedeutsamste war zunächst die Enteignung von Brotkorn und Hafer, die schon im Winter 1915 vorgenommen wurde. Jedem Brotkornbesitzer verblieben pro Kopf und Monat 20 Pfund Roggen, vom Herbst 1915 an 18 Pfund, den Rest mußten sie an die Getreideversorgungsstellen abgeben, zu 12 ½ Pf. das Pfund. Die Nichtbesitzer erhielten Brotkarten, auf 15 – 16 Pfund lautend, d. h. soviel Schwarzbrot, dagegen nur 14,4 Pfund Roggenschrot oder 14,5 Pfund Fein- oder Roggenmehl stand einer Personen im Monat zu. Reines Kornbrot verschwand ganz von der Bildfläche, man erhielt nur noch das s. g. Kriegs (K)-Brot, welches einen gewissen Prozentsatz Kartoffelzusatz enthalten mußte. Reines Weizenmehl war auch dahin, auch dieses enthielt Kartoffelmehl und Feinmehlzusatz. Die ganze Volksernährung mußt infolge des Krieges in neue Bahnen gelenkt werden. In Wort und Schrift, in Versammlungen und Kriegskochschulen wurde die nötige Aufklärung erteilt. Im großen und ganzen wurden sämtliche Anordnungen willig und gern befolgt, ein jeder wußte, daß nur auf diese Weise die Ernährung sichergestellt werden konnte. Von einer Not war auch im ersten Kriegswinter nirgends die Rede, nur eine Futternot stellte sich ein. Infolge dessen wurden leider die Schweine in hiesiger Gegend im Winter 1915 hier massenweise, größtenteils noch als Ferkel abgeschlachtet, oft 5 - 6 Stück auf einmal. Der Kaufpreis war niedrig, daß man kaum umsonst Ferkel annahm. In anderen Gegenden wurden Zwangsschlachtungen angeordnet, nur um den „neuen Feind“, das Schwein, dem Brotkornfresser, zu vermindern. Sämtliche größeren Städte wurden verpflichtet, größere Fleischmengen zu konservieren, auch die Heeresverwaltung ließ es hierin nicht fehlen, und das war ein Glück. Während man nämlich im Winter 1915 überall noch Fleisch und Fett in Überfluß hatte, stellte sich im Spätsommer 1915 eine große Knappheit an Schweinefleisch und in allen Fettarten ein. Die Preise erreichten infolgedessen eine ungeahnte Höhe, Butter bis zu 3 M, Schmalz 2,50, Speck 2,20, Margarine 2,40 M u.s.w. Glücklicherweise wurden allgemeine Höchstpreise eingesetzt, um dem Wucher eine Schranke zu setzen, für den Kreis Osterholz für Butter 2,40 M pro Pfund. Für die Getreideversorgung wurde in Berlin eine Zentrale errichtet, von hieraus wurde fürs ganze Reich alles geregelt, in Preußen bildeten meistens die Kreise und die kreisfreien Städte besondere Kommunalbezirke, die die Versorgung in die Hand nahmen. Auf jedem Landratsamte mußte zu diesem Zwecke eine besondere Abteilung bebildet werden. Dem großen Organisationstalent unseres deutschen Volkes erwuchsen im Winter 1916 immer größere und schwierigere Aufgaben, eine Knappheit zeigte sich jetzt auch auf allen Gebieten, die Preise der Kolonialwaren für Leder, Wolle, Baumwolle, Fleisch, Butter, u.s.w. stiegen gewaltig. Die Margarine ging so gut wie ganz aus. Ein Pfund fertige Strickwolle kostet 12 M, ein Paar Socken 6 – 7 M, Eier das Dutzend 2,50 M, Heu der Zentner 6 M, Höchstpreis Maismehl 37 – 38 M. Gerstenschrot 80 M der Zentner. Dabei ist zu bemerken, daß nur selten reines Futtermehl zu haben ist, die fraglichsten Mischungen kommen in den Handel, als neuestes Produkt besonders Heide- u. Torfmehl. Kartoffelflocken sind in diesem Winter als Viehfutter ganz ausgeschieden, sie dienen nur noch als menschliche Nahrung weil trotz der guten Kartoffelernte des letzten Sommers sich im Frühjahr 1916 allgemein eine Kartoffelknappheit einstellte, ebenfalls eine Zuckerknappheit. Wegen des Futterungsmangels war auf beiden Gebieten zuviel verfüttert worden. Auch wurden in den Zuckergegenden auf Anordnung der Staatsregierung im Sommer zuvor größere Flächen, die sonst mit Zuckerrüben bestellt wurden, mit Getreide bebaut. Von April 1916 an wurde der Zucker daher nur noch in kleinen Mengen verabfolgt, viele Kaufleute konnten überhaupt nichts mehr erhalten. Bei den Kartoffeln mußte ebenfalls zur Zwangsenteignung gegriffen werden. Für Haushaltungen, die nicht mehr über K. verfügten, traten ebenfalls die Kartoffelkarten ein, pro Tag und Kopf 1 Pfund. Der Reis verschwand im freien Handel ganz, im Feb. erhielten die Minderbemittelten vom Landratsamte noch pro Kopf ½ Pfund zum Preise von 50 Pf., die anderen im April die gleiche Menge zu 1 M das Pfund. Sago stieg auf 1,20 pro Pfund. Statt Reis konnte man aber sehr gute Hafer- u. Gerstenflocken („Hädrich“) zu 58 Pf. pro Pfund kaufen. Da unsere Landbevölkerung außerdem noch einiger Maßen gut eingeschlachtet hatte und Milch und Butter, ebenfalls Eier genügend im Hause hatte, wurde sie auch jetzt von den Härten des Krieges im Lande so gut wie nichts gewahr. Im Gegenteil, ganz besonders bei den größeren Besitzern, blühte infolge der gewaltigen Preise für sämtliche landwirtschaftlichen Produkte der „Hafer“, wie noch nie, so daß sie gleich den Kriegslieferanten gleichsam im Gelde schwelgten. Umso trauriger wurde es dagegen bei den Städtern, der Industriebevölkerung und der s. g. kleinen Leuten auf dem Lande, die für teures Geld kaum noch etwas konnten kaufen. Von Osterholz-Scharmbeck, Ritterhude, Burg-Lesum, Grohn u.s.w. entstand bei uns eine wahre Jagd nach Butter, Eiern u.s.w. Männer, Weiber, junge Mädchen kamen, um etwas zu ergattern. Zu der Fettkarte in den größeren Orten gesellte sich im April auch noch die „Fleischkarte“, die in gewisser Hinsicht auch für kleinere Orte Härten mit sich bringen sollte. Es war meiner Familie z. B. zu Ostern nicht möglich, in Worpswede auch nur ein Pfund frisches Fleisch zu kaufen. Mitte April wurden bis auf weiteres sämtliche Hausschlachtungen verboten. Sämtliches Großvieh der Provinz kam unter die Kontrolle der „Viehhandelskammer“ in Hannover, und diese hatte nun die Fleischversorgung des Heeres und des Landes zu leiten, also jedes Stück Schlachtvieh den Schlächtern zu überweisen. Als eine wahre Wohltat erwiesen sich für die Landbevölkerung ganz besonders während des Krieges die Frischhaltungs- Einkochagregate (Weck, Reck u.s.w.), nicht allein für Gemüse aller Art, sondern auch für Fleischsorten, Wurst u.s.w. das durch die Massenaufbewahrung von Fleisch, Getreide und Kartoffeln in den größeren Kommunen hier und da auch größere Mengen umkamen, ist nicht zu verwundern, um so mehr ist es dagegen zu bedauern, daß durch das s.g. Einhamstern gewisser Leute viele Sachen verdorben und außerdem den weniger Bemittelten die Preise künstlich erhöht wurden. Auch die vielen Brotkornverfütterer können nicht genug getadelt werden. Im Winter 1914/15 wurde in Waakhauser Viehhalter dieserhalb mit 50 M, 1916 ein Viehlander mit 500 M Geldstrafe belegt.

 

Gefangene Russen bei uns in Arbeit

Da infolge immer neuer Einberufungen die Arbeitskräfte stets weniger wurden, entschloß man sich im Spätherbste 1915 zur Einführung von gefangenen Russen, denen sich im Frühjahr 1916 noch einige hinzu gesellten, so daß in der Schulgemeinde im ganzen 15 – 16 Mann tätig waren. Durchweg war man mit ihnen gut zufrieden, sie gingen auf den einzelnen Höfen frei einher, die meisten schliefen auch bei ihren Arbeitgebern, und 5 – 6 hatten ihre Schlafstätte (Baracke) bei dem Anbauer Joh. Grimm, der zu diesem Zwecke einen Teil seines Flures abgeteilt hatte und gleichzeitig als Landsturmmann die Aufsicht führen mußte.

 

Jugendwehr!

Wie die Befreiungskriege uns die Landwehr, so brachte der Weltkrieg uns die Jugendwehr. Auch in Worpswede wurde eine solche errichtet, zu der auch aus Waakhausen verschiedene junge Burschen beitraten.

 

Beurlaubungen aus der Front.

Wegen der außerordentlichen Länge des Krieges wurde den Soldaten aus Ost u. West, Süd u. Nord von Zeit zu Zeit ein Heimatsurlaub gewährt, eine durchaus nützliche und notwendige Einrichtung, um den Mut draußen und daheim neu zu stärken. Abgesehen von dem ersten Jahr erhielten die Urlauber freie Bahnfahrt und außerdem seit dem 22. Dezember 1915 pro Tag 1,50 M Verpflegungsgeld, dieses jedoch nur einmal im Jahr. Die Zahl der Beurlaubungen war so groß, daß z. B. vom Westen aus tagtäglich reine Urlaubszüge verkehrten. Bis Charlesville konnte man von Bremen aus ganz per D-Zug fahren, von da an fuhren die Züge bis in die Nähe der Front stets ohne Beleuchtung. Für die Sommerzeit wurden in erster Linie Landwirte beurlaubt.

 

Außerordentliche Viehzählung am 14. April 1916

Das Ergebnis für Waakhausen war folgendes: 24 Haushaltungen, 29 Pferde, 296 Rinder, 98 Schafe, nur 33 Schweine, 11 Ziegen, 245 Gänse, 123 Enten, 383 Hühner, 9 Trut- u. Perlhühner und 0 Kaninchen.

 

IV. Kriegsanleihe.

Die 4. Kriegsanleihe ergab in hiesiger Schule 1284 M für das Kriegssparkassenbuch der Schule und 300 M zum Ankauf von Anleihen.

 

Nasser aber durchweg fruchtbarer Sommer 1916.

Der Sommer 1916 war durchweg sehr naß. Für die Bearbeitung des Moorbodens daher ungünstig. Der Graswuchs auf den Wiesen und Weiden war sehr üppig, das Weidenvieh entwickelte sich vortrefflich, die Güte des Heues wurde leider durch das schlechte Erntewetter stark beeinträchtigt. Die Getreideernte war eine gute, in Hafer sogar eine sehr gute, die Erntezeit war günstig, so daß das Brot nichts zu wünschen übrig läßt. Als eine Mißernte muß dagegen die hiesige Kartoffelernte betrachtet werden. Es hat aber seinen Hauptgrund in der falschen Sortenwahl, da unsere Bevölkerung sich von den „Junkern“, „Ungeblühten“ u.s.w. nicht trennen kann. Wie meine Versuche im Schulgarten bewiesen haben, trotzen die „Industrie“ und die „Rote Heidelberger“ auch auf dem Moorboden der feuchten Witterung, und werden jetzt von allen Seiten stark begehrt.

 

V. Kriegsanleihe.

Zu der V. Kriegsanleihe wurden auf der Sparkasse der hiesigen Schule im ganzen 770 M gezeichnet.

 

Außerordentliche Kriegsmaßnahme.

Infolge der Gummiknappheit mußte am 12. Aug. 1916 der größte Teil der Fahrräder festgelegt werden. Die Inhaber wurden aufgefordert, den Gummi gegen eine geringe Vergütung an den Sammelstellen zur freiwilligen Abgabe abzuliefern, um einer späteren Enteignung vorzubeugen. In erster Zeit wurden fast sämtliche Gesuche um weitere Benutzung der Räder glatt abgeschlagen, man begegnete daher für längere Wochen eigentlich nur noch Radfahrern auf Nebenwegen oder solchen mit blanker Felge oder mit Kork oder Seilen gepolsterten Felgen, die meist einen bösen Lärm machten. Nach längeren Wochen wurde durchweg bis auf weiteres für jedes Haus ein Rad freigegeben.

 

Schlachtverbot.

Eine einschneidende Wirkung hatte das s. g. Fleischgesetz. Vom 2. Okt. 1916 an durfte nur noch nach Schlachtgenehmigungen ein Rind, Schwein oder Schaf geschlachtet werden. An den Sprechtagen zeigte sich von nun an nach dem Landratsamte eine wahre Völkerwanderung, alles begehrte die Schlachterlaubnis. Es wurden in Zukunft Selbstversorger und Versorgungsberechtigte unterschieden. Letztere erhalten vom genannten Tage an pro Kopf 250 g die Woche, die Besseren dagegen unter Umständen den 3, 4fachen Betrag u. mehr, die ihnen vom 1. Schwein oder Rind nur die Hälfte, vom 2. oder 3. u.s.w. nur 3/5 angerechnet wird. Jedermann trachtete infolgedessen nach Selbstversorgung, die, s. g. Pensionsschweine, „Salonschweine“ u.s.w. machten viel von sich reden. Viele der neuen Schweinemäster mußten leider üble Erfahrungen machen, weil im Freihandel kaum noch Futter aufzutreiben war und von den Kommunalverbänden recht wenig, dabei oft sehr fragliches zur Ausgabe kam. Als nun auch noch wegen der allgemeinen Kartoffelknappheit ein Kartoffelfütterungsverbot erlassen wurde, blieb vielen zum Verfüttern nur die Steckrübe übrig. Diese stieg trotz der überaus reichen Ernte bald auf 4 M pro Zentner, so daß auch auf diese Frucht ein Höchstpreis gesetzt werden mußte, nämlich ab Hof des Verkäufers 2,50 M pro Zentner. Ausgemästete Schweine sieht man hier wegen Futterknappheit diesen Winter selten, umgekehrt sind sie durchweg recht „leicht“, noch leichter die Rinder trotz der fetten Weiden des letzten Sommers. Rinder, die in Friedenszeiten vielleicht 500 Pfund Schlachtgewicht hielten, wiegen jetzt nur 300 Pfund.

 

Hamstern und Schwindeln.

Schon bald nach Beginn des Krieges, als die Preise anzogen, begann in vielen Häusern das „Einhamstern“ von Waren aller Art, es erreichte in diesem Jahre aber erst seinen Höhepunkt, nachdem bekannt wurde, daß die meisten Lebensmittel, Kleidungsstoffe u.s.w. vom Freihandel ausgeschaltet werden sollten. Begünstigt und vielfach in jeder Weise von den Kaufleuten dazu aufgewiegelt, wurden in gewissen Häusern ungeheuere Mengen aufgestapelt. Abgesehen von den gewaltigen Augenblickserfolgen der Kaufleute konnten diese auch den ältesten „Ladenhüter“ jetzt zu gutem Gelde abstoßen. Die Manufakturläden wurden im Spätsommer, als die Bezugsscheine zur Einführung gelangen sollten, schier bestürmt und machen jetzt einen recht trüben, leeren Eindruck. In den Kolonialwarenhandlungen ist jetzt ein Freiverkauf außer Salz, kleinen Gewürzartikeln und Essig kaum noch etwas zu haben. Die Marken beherrschen die Welt und drücken der Jetztzeit mit recht den Namen „Markenzeit“ auf. Da gibt es Brotmarken, (Schrotscheine für Selbstversorger) Butter- oder Fettmarken, Fleischmarken, Kartoffelmarken, Petroleumkarten, Zuckerkarten, Milchkarten, Bezugsscheine für Kleidungsstücke u.s.w., alles Folgen der englischen Aushungerungspolitik. Abgesehen von den Marken, kann man aber wohl sagen, regiert zur Zeit die Butter die Welt. Obgleich auch diese beschlagnahmt ist (Selbstversorger erhalten bis auf weiteres 125, Versorgungsberechtigte nur 62 ½ g pro Kopf u. Woche) und außer der selbst benötigten an die Fettstelle abzuliefern ist, wird damit doch ein flotter Handel oder viel mehr Schmuggel betrieben und ganz besonders gegen Petroleum, Weizenmehl, Kaffee u. dgl. eingetauscht oder zu etwaigen Gefügigkeiten hier und da als Kompensationsmittel benutzt. Nicht viel simpler wird das Kornverfütterungsverbot beachtet. Ungeheure Mengen an Roggen (auch Kartoffeln) werden auch heute tagtäglich ins Vieh gesteckt, nicht zu schweigen von dem s. g. „Saatkorn“, das hier in der Kriegszeit gekauft wird. Sonderbar ist es, früher kaufte hier kaum jemand Saatroggen, jetzt kaufen die Landwirte nicht nur diesen, nein sie „säen“ sogar Gerste, Weizen und Mais, d. h. gesät wird nur hier und da ein Korn, die Hauptsache wandert in den Magen der Schweine oder wird zu Kuchenmehl verarbeitet. Als Kuriosum mag hier angeführt werden, daß im vorigen Winter in vielen Häusern den ganzen Abend sich die Kaffeemühle abplagen mußte, um den schönen „Saatweizen“ zu Mehl zu verarbeiten. Da unsere Bevölkerung in der Auslegung und Handhabe der Kriegsgebote ein recht weites Herz hat, haben unsere Landwirte in der Magenfrage bislang von dem Krieg noch nichts gespürt, ihr Tisch ist wie in Friedenszeiten reichlich gedeckt, anders steht es bei den s. g. kleinen Leuten, die von der Hand in den Mund leben und ganz auf den Kartenbezug angewiesen sind, denen ist es vollständig unmöglich, so oder so fett zu essen, sie erhalten z. B. vom Herbst bis jetzt täglich pro Kopf ½ Pfund Brot, ¾ Pfund Kartoffeln und ebensoviel Steckrüben, die Woche ½ Pfund Fleisch, 2 ½ g Butter und monatlich etwa alles in allem ½ Pfund Grütze oder Graupen, Nudeln, dazu 1 ½ Pfund Zucker.

 

Goldene Zeit für die Landwirte, sonst Teurung.

Unsere Landwirtschaft hat noch nie eine so goldene Zeit gehabt wie jetzt, ihre sämtlichen Produkte sind durchweg um 200 – 300 % gestiegen, Pferde von 4000 – 5000 M, Kühe von 1500 – 2000 M und Schafe von 120 – 150 M sind gar keine Seltenheit. Hätten die gesetzlichen Höchstpreise nicht eingesetzt, so würden viele Sachen gar nicht zu bezahlen sein. Statt der knapp gewordenen Kolonialwaren wurden auf fast allen Gebieten brauchbare Ersatzstoffe gefunden, statt Bohnen kam der Korn- u. Malzkaffee, ebenfalls ein Ersatz aus Weißdornbeeren (Mahlbeeren), der Reis wurde durch Grütze und Graupen ganz auf den Kodex gesetzt, Teeblätter lieferten Himbeer-, Brombeer-, Birkenblätter u.s.w. den nötigen Kartoffelersatz zum Brot der ersten beiden Jahren lieferten die dicken Steckrüben, die schlechte Honigernte mußten Buttermilch und Zucker wettmachen und umgekehrt den Zucker wieder der s. g. Süßstoff (Sacharin) ersetzen. Der Krieg machte eben überall sehr erfinderisch und der Deutsche weiß sich eben überall zu helfen, wenngleich unser Landwirte das sich im Futtermittelhandel so breit machende Holzmehl und daß auch in den Osterholzer Reismühlenwerken fabrizierte Heidemehl nicht sehr loben wollen und statt dessen lieber weiches Heu zu Schweinefutter schneiden oder die Heide und das Stroh (Strohmaht) so verfüttern. Auch die s. g. Obsttrester, die uns vorigen Sommer (Zentner 12,50 M) um Kleie zu erhalten, aufgedungen wurden, waren nicht verlockend, sie liegen noch heute größten teils auf dem Müllhaufen beim Gemeindevorsteher. Am allerschlechtesten wird bislang für das Geflügel gesorgt. Dieses hat sich tatsächlich seit vorigem Sommer vom Raube ernähren müssen.

 

Volks- und Viehzählung am 1. Dez. 1916

Ergebnis für Waakhausen: 63 Männer, 76 Frauen, außerdem 1 aktiver Soldat (Wachtmann) und 11 Kriegsgefangene (10 Russen u. 1 Serbe) 26 Pferde, 300 Rinder, 55 Schafe, 64 Schweine, 9 Ziegen und 592 Stück Federvieh (75 Gänse, 138 Enten, 373 Hühner, 6 Trut- u. Perlhühner). Für Viehland: 28 Männer, 39 Weiber und 4 Kriegsgefangene. 10 Pferde, 175 Rinder, 28 Schweine, 14 Schafe und 203 Geflügel.

 

Einsammeln von Ähren, Brennnessel, Mahlbeeren etc.

Um auf dem Felde nichts umkommen zu lassen, wurden im letzten Sommer die Schulkinder angehalten, auf den Stoppelfeldern Ähren einzusammeln. Dieselben wurden von den Kindern gemeinsam ausgeschlagen und der Ertrag von 60 Pfund an den Gemeindevorsteher abgeliefert.

 

Als Ersatz für Hanf wurden Brennnesseln geschnitten, getrocknet und zur Ablieferung aufbewahrt. Im ganzen wurden 75 Pfund geerntet. Leider stehen die Säcke noch uneingefordert auf dem Schulboden, ebenfalls wartet dort noch eine Menge eingesammelter Blei- und Zinnmasse der Abholung. Von der Mahlbeerensammlung (zu Kaffeeersatz) mußte Abstand genommen werden, weil diese im Moor nicht wachsen. Auch für die s. g. Kaffeegrundsammlung kann ich nicht eintreten. Ich habe meinen Kindern sogar gesagt, daß sie mir jeden Betrag, nur einliefern möchten, falls sie ihn nicht selber verfütterten, ich würde ihnen das Pfund nicht nur mit 2 Pf., wie die Kaffeekriegsgesellschaft bietet, sondern mit 10 Pf. bezahlen. Bislang ist nichts gebracht. Es ist jedenfalls richtiger so, da hier nichts umkommt, nur daß auf diese Weise vermieden wird, daß der Kaffeegrund unter der Marke X oder Y unter hohen Preisen wieder als Viehfutter in den Handel kommt. Die Sonnenblumenernte (zur Ölgewinnung) lieferte hier nur einen kleinen Ertrag, etwa 10 Pfund, wovon allein 6 ½ Pfund aus dem Schulgarten stammen. Die meisten Pflanzen kamen nicht zur Reife.

 

VI. Kriegsanleihe.

Die VI. Kriegsanleihe erbrachte für die Schulkriegssparkasse nur den Betrag von 550 M.

 

Winter 1916/1917

Der Winter 1916/1917 kann wohl als ein richtiger Hunger- u. Frostwinter bezeichnet werden. Wegen der schlechten Kartoffelernte mußte die Kartoffelversorgung auf das geringste Maß beschränkt werden und setzte von Neujahr – Ostern in den Städten fast ganz aus, weil wegen des starken Frostes keine befördert werden konnten. Dort gab es Steckrüben und nochmals Steckrüben. Hinzu kam der Hunger, von Neujahr bis Ostern fast ununterbrochen anhaltender Winter, der diesmal doppelt schlimm empfunden wurde, einmal wegen der Fettknappheit und sodann wegen des großen Kohlenmangels. In den Städten u. teils auf dem Lande traten monatelange s. g. Kohlenferien ein, viele Züge blieben ungeheizt.

 

Korn- und Kartoffelrevisionen.

Um den Getreide- und Kartoffelbestand möglichst noch zu vergrößern, es wurde auf dem Lande nämlich auf allen Gebieten viel verschwiegen und versteckt, fanden verschiedene Aufnahmen und Revisionen statt. Die letzte dieser Art geschah Ort für Ort durch 2 Zivil- und 2 Militärpersonen, das Ergebnis war aber durchweg ein negatives. Um auch für den letzten Monat vor der Ernte noch Brotkorn flüssig zu haben, wurde die Monatsrate der Selbstversorger vom 1. April von 18 auf 13 Pfund herabgesetzt, gleichzeitig mußte der Vorrat für die Zeit vom 15. Aug. – 15. Sept. abgeliefert werden.

 

Rüben-, Serradella- und Gurkenbrot.

Wegen des Kartoffelmangels war in diesem Jahr die Streckung des Brotkorns eine schwierige. Zuerst mußte die Steckrübe wieder einspringen, so gut oder schlecht, es sein mochte. Als auch diese bei der grausamen Wärme ganz versagte, blieben die Serradella- und das Gurkenmehl der Hauptersatz. Beim Serradellabrot war der ganze Brotgeschmack dahin und es kamen Klagen über Klagen, die umso berechtigter waren, da anderwärtig schönes Getreide anderen Zwecken dienstbar gemacht wurde. So verschaffte z. B. der Ein- u. Verkaufsverein Weyermoor sich noch anfangs Juli 10 Doppelzentner schönen Mais, angeblich zu Saatzwecken bestimmt (Grünfutter). Tatsächlich erblickte man dann auch hier und da auf den einzelnen Gehöften kleine Parzellen mit Saatmais bestellt, der allergrößte Teil ist aber nach meiner festen Überzeugung an die Hühner verfüttert, statt ihn an Stelle des Serradellamehls den Menschen zur Brotstreckung zu überweisen.

 

Großer Schwindel mit Saatgetreide.

Von der Landwirtschaft wurde vielfach in Saatgetreide der allergrößte Betrug verübt. Mit dem Saatroggen (vor dem Kriege wurde wenig oder gar kein Saatroggen gekauft), sondern vor allen Dingen waren es Saatmargen, Gerste, Mais, Erbsen u.s.w., die unter Einbringung einer Saatgutkarte erstanden wurden. Von all dem Saatgut wurde meistens aber nur ein kleiner Bestand gesät, der allergrößte Teil wurde zum Kuchenbacken, zum Verfüttern u.s.w. verarbeitet. In Waakh. allein wurden im Frühjahr bzw. Winter 1917 allein 20 Ztr. Weizen nachweislich bezogen, aber noch keine 2 Ztr. gesät, eine schreiende Ungerechtigkeit der Selbstversorger gegenüber den Versorgungsberechtigten, die, sowieso schon viel schlechter gestellt als die ersteren, für Geld und gute Worte gar nicht erstehen konnten.

 

Nur noch gegen Karten, Bezugsschein oder aufs Lebensmittelbuch.

Mit Ausnahme von Salz u. Streichhölzern und einzelnen Kurz- u. Glas- u. Porzellanwaren war jetzt im Freihandel so gut wie gar nichts mehr zu haben. Im Schuhhandel versagten auch die Bezugsscheine bald ganz, da die N o für Erwachsene fast ganz ausverkauft waren, für ein Paar mußte man obendrein 45 – 60 M zahlen.

 

Trockener aber warmer Sommer.

Dem strengen Winter folgte gleich nach Ostern ein äußerst warmer Sommer, der zunächst in der rückständigen Vegetation alles schnell wieder nachholte und den großen Mangel an Arbeitskräften wieder wettmachte. Graswuchs u. Felder hatten leider unter der anfallenden Dürre zu leiden, hier zwar weniger wie auf der Geest, wo Hafer und andere Sommerfrüchte fast ganz abschlugen, auch das Stroh beim Roggen nur kurz blieb. Mit großer Sorge schaute jedermann in die Zukunft und nach Regen, der schließlich noch ebenso früh einsetzte, daß die Kartoffeln noch gut gedeihen konnten, die uns sicher den kommenden Winter besser als die vorjährigen Rüben über die sonstigen Entbehrungen hinwegsetzen werden, da ihr Ertrag, besonders auf der Geest ein äußerst reicher ist.

 

Kartoffel- Wirtschaftsplan für 1917/18, dsgl. in Fleisch.

In diesem Jahre kann sich jeder gegen Vorführung eines Bezugsscheines freihändig mit Kart. eindecken und zwar à Person mit 267 Pfund. Den Selbstversorgern stehen 550 Pfund zur Verfügung. Für Futterkartoffeln u. Schwund können diese 20 % ihres Bestandes zurück behalten und an Saat 10 Ztr. pro Morgen.

Die Fleischration für Versorgungsberechtigte ist wieder pro Woche à Person 250 g, für Selbstversorger 2/3 mehr = 417 g in Rindfleisch und 500 – 700 g in Schweinefleisch, je nach dem Gewicht des Tieres. Um den Schweinebestand zu verringern (verzehrt uns zu viel Getreide u. Kartoffeln) wurde das Abschlachten von Spanferkeln bis 30 Pfund für den Herbst 1917 ohne Schein und Anrechnung gestattet. Die Folge war dann auch ein richtiger Massenmord der Schweine, aber wohl mehr in größeren wie in kleineren Tieren. Wie mir mehrfach erzählt wurde, fand ein großer Teil der Schlachtungen in der Nacht statt, wo dann auch die Spanferkel oft ein Gewicht von 200 Pfund erreichten.

 

Hohe Preise für Gänse und Torf, dgl. für Obst.

Da das Jahr 1917 auch für Gänse einen Höchstpreis setzte, Magergänse = 25 M, begann nun auch bei Gänsehandel der Wucher und Schwindel. Sie wurden vielfach als Zuchtgänse abgesetzt und wanderten nun vielfach geschlachtet als Zuchtgänse in die Stadt und erreichten dort als Haut und Knochen einen Preis von 45 – 50 M und darüber. Dasselbe Bild zeigte sich im Torfhandel. Als Höchstpreis wurde für den halben Hunt 125 M festgesetzt, unter 200 – 225 M war trotzdem aber kaum solcher zu kaufen. Unsere Torfbauern im Teufelsmoor hatten infolge dessen einen so goldigen Herbst wie nie zuvor. Da es an Arbeitskräften fehlte, die Geldfrage auch keine Rolle spielte, war die Hamme in diesem Herbst von den „Jan von Moor“ fast ganz verödet, um so besseren Verdienst hatte aber die Kleinbahn, die oftmals Torfzüge von 10 – 20 Wagen beförderte.

 

Für Obst aller Arten wurde diesen Herbst auch ein überaus hoher Preis erzielt, Äpfel kosteten das Pfd. 45 – 65 Pf. Die Obsternte war bei uns durchweg schlecht. Dazu verschlangen die Marmeladenfabriken bei weitem den größten Teil. Die Folge davon wird aber sein, daß wir in diesem Jahre nicht wieder die schreckliche Steckrübenmarmelade werden genießen müssen.

 

Großer Entesegen in Bohnen, Gurken und Kürbissen.

Die Bohnen, Gurken u. Kürbisse sind seit Menschengedenken kaum jemals so gut geraten wie in diesem sonnigen Sommer. Eine Frau aus Viehland verkaufte aus ihrem Garten (nicht groß) über 1000 Pfund Schnittbohnen.

 

Schlechte Zeit für Trinker und Raucher.

Um Getreide und Kartoffeln restlos für menschliche und tierische Nahrung zu bewahren, mußten die Brennereien u. Brauereien ihren Betrieb so gut wie ganz einstellen. An Bier gibt es z. Zt. zwar noch den Bierersatz, erinnert aber wenig mehr an den schönen Gertensaft. Der Trinkspiritus ist ganz verschwunden, ein Glas Cognac kostet jetzt in der Wirtschaft 1,25 M. Sämtliche Limonaden und sonstigen süßen Getränke erhalten ihre Süßigkeit nur noch vom Sacharin. Mit den Rauchsachen steht es nicht ganz viel besser, wenngleich man in kleinen Mengen noch in den meisten Geschäften noch für teures Geld schlechte Sachen kaufen kann, z. Zt. kosten die Zigarren in der Gastwirtschaft 30 – 45 Pf. das Stück. Rauchtabak ist den meisten Geschäften fast ganz ausgegangen, der billigste kostet z. Zt. wieder (ist aber nur Ersatz und besteht zum guten Teil aus Hopfenblättern) à Pfund 6 M. Süßkirschenblätter, dgl. Blätter von Weiden, Brombeeren und Rainfarn, ebenfalls von Erbsen müssen vielfach den eigenhändig fabrizierten Tabak liefern, überall Ersatz, die Zeitungen berichteten letzten Sommer sogar einmal von Regenersatz, insofern eine Feuerwehr in Schleswig-Holst. mit ihrer Spritze dies begehrte Naß den Gärten liefern mußte.

 

VII. Kriegsanleihe.

Für die VII. Kriegsanleihe wurde in hiesiger Schule das s. g. Kartensystem angewandt und zwar für die Amtssparkasse in Osterholz und für die Sparkasse in Lilienthal. Das Gesamtergebnis war: 1275 M.

Die 400jährige Reformationsfeier. 31. Okt. 1917.

Trotz der Kriegszeit fand doch im ganzen evangelischen Deutschland eine würdige Gedenkfeier der 400jähr. Wiederkehr des Reformationsfestes statt. Die Kinder der Ober- u. Mittelstufe versammelten sich in der Schule und wurden dann geschlossen zur Kirche geführt, wo zunächst ein Festgottesdienst stattfand, wo diesmal fast nur Lutherlieder gesungen, statt des Glaubensbekenntnisses das Lutherlied: „Wir glauben all an einen Gott“ von der ganzen Gemeinde gesungen wurde. Nach der kirchlichen Feier versammelte sich die ganze Gemeinde am Lutherdenkmal. Hier hielten Pastor Röhrbein und Hauptlehrer Riggers eine kurze Festrede. Von dem Kinderchor wurde das 2stimmige Lied „Großer Gott wir loben dich“ gesungen. Der Kirchenvorstand wie jede Schule legten am Denkmal einen würdigen Kranz nieder. Die Choräle wurden vom Posaunenchor begleitet.

 

Winter 1917/18.

Der Winter 1917/18 verlief im allgemeinen günstiger wie der vorjährige, die Witterung war durchweg milder, die Feuerungsnot nicht so groß. Auch in der Ernährung waren die Klagen nicht so groß wie im Vorjahr, die Steckrübenmarmelade war gänzlich verschwunden und hatte einer guten, brauchbaren Früchtemarmelade Platz machen müssen, ebenso hatte sich jedermann so einigermaßen mit Kartoffeln eindecken können, Selbstversorger mit 1 ½ und Versorgungsberechtigte mit 1 Pfd. Pro Kopf & Tag. In der Fleischfrage boten die s. g. Spanferkel günstige Gelegenheit, sich auf diesem Gebiete zu versorgen. Um nämlich Brotkorn u. Kartoffeln zu sparen, wurde von der Regierung gestattet, Schweine im Gewichte bis zu 30 Pfund Lebendgewicht freihändig zu kaufen und ohne Anrechnung und Genehmigung einzuschlachten. Davon wurde dann in Stadt und Land eine solche Anwendung gemacht, daß die Schweine so gut wir ganz ausstarben. In Waakhausen waren z. B. bei der Viehzählung am 1. März 1918 nur noch 23 Schweine. Umgekehrt deckte die Landbevölkerung sich auf diese Weise und durch heimliche Schlachtungen dermaßen mit Fleisch ein, wie man es in Friedenszeiten kaum konnte. Die Geldfrage spielt z. Zt. nämlich bei den Landwirten keine Rolle. Leider konnte auch das Wuchertum zu immer höherer Macht emporsteigen. Ganz besonders waren es Eier, Butter und Fleisch, die zu hohen Preisen nach Bremen etc. verwuchert wurden. Manches Kalb wanderte auf diesem Wege, heimlich geschlachtet, nach außen. Für ein einziges Entenei ließ man sich getrost 1 M zahlen, für Fleisch das Pfd. 5 – 6 und für Butter 10 M und mehr.

 

Sehr schwierig gestaltete sich in diesem Winter die Versorgung mit Kleidung. Nicht nur, daß die Beschaffung recht schwer wurde, sondern trotz der schlechten Güte (vielfach aus Papier) wurden die Preise fast unerschwinglich, ein Anzug 3 – 400 M.

 

Hochwasser.

Ende Januar stieg das Wasser hier infolge der plötzlichen Schneeschmelze so hoch, daß fast der ganze Spielplatz überschwemmt war. In der Feldmark Oberende brach der große Wümmedeich und das ganze St. Jürgensfels wurde hoch überflutet. Die Bruchstelle erweiterte sich auf 60 m.

 

Futterteuerung in Heu uns Stroh.

Infolge des trockenen Sommers machte die Durchwinterung des Viehes große Schwierigkeit. Allgemein mußte die Gerste in dieser Gegend Ersatz bieten. Für den Zentner Heu wurden im Frühjahr 12 – 15 M gezahlt. Es war fürs Durchhalten sicher ein Glück, daß die Frühjahrswärme in diesem Jahr fast 4 Wochen eher wie sonst einsetzte und die Weiden frühzeitig begrünte. Anfangs April wurde das Jungvieh größtenteils schon ausgetrieben, das Milchvieh durchweg 14 Tage später. Zu Beginn des Mai waren Bäume und Sträucher fast vollständig belaubt und der Roggen etwa 50 – 60 cm lang.

 

VIII. Kriegsanleihe.

Das Ergebnis der VIII. Anleihe für hiesige Schule war 828 M gegen Karten und 1200 M in Stücken.

 

Der erste Kriegsgefangene wieder hier.

Als erster, entlassener Kriegsgefangener stellte sich hier Ersatzreservist Diedrich Merthens wieder ein, er war etwa 7 Monate lang in Rumänischer Gefangenschaft und traf am 1. Mai hier wohlbehalten wieder ein.

 

IX. Kriegsanleihe.

Ergebnis: (keine Eintragung erfolgt!)

 

Sommer 1918.

Leider brachte uns der Sommer nicht, was er uns zu Anfang versprach. Im Frühsommer setzte wieder eine große Dürre ein, verbunden mit starken Nachfrösten. Bohnen und Kartoffeln froren teils 3 – 4 mal ab, und auch der Roggen im Moor wurde zur Blütezeit so stark mitgenommen, daß er zur Hauptsache gar keine Frucht setzen konnte und daher auch zur Erntezeit seine Ähren steil empor reckte. Trotz des reichen Strohertrages lieferte er bei uns eine solch traurige Mißernte wie selbst die Alten sich einer solchen nicht entsinnen können, nicht viel besser stand es mit den Kartoffeln. Infolge der Mißernte entstand im Herbste hier eine wahre Roggen- & Kartoffeljagd. Für Roggen mußte pro Ztr. ein Preis bis 100 M bezahlt werden, für Kartoffeln 20 M. Wucher und Schleichhandel feierten wahre Orgien. Butter wurde mit 15- 25 M das Pfund bezahlt, daß Stück Ei mit 1 M. Aber auch andere Artikel, besonders Kleidungsstücke, stiegen zu einer enormen Höhe, ein Herrenanzug auf 500 – 600 M. An Strümpfen, Schürzen u. anderen Stoffen kamen zur Hauptsache nur noch Papiergewebe auf den Markt. Im Spätherbste verdarb der andauernde Regen noch manches, was der Frost u. die Dürre verschont hatten, ganz besondern hatte die 2. Heuernte zu leiden.

 

Sammeltätigkeit 1918.

Infolge der großen Futternot, die besonders in Süd- & Ostdeutschland drohte, wurde im ganzen Reiche für die Schulen etc. die Laubheuernte angeordnet. Die grünen Blätter wurden von den Bäumen und Büschen gestreift und dann auf Böden, in Sälen u.s.w. lufttrocken gemacht, in Papiersäcke verpackt und zum Versand gebracht, eine mühsame Arbeit, unter der der Schulbetrieb stark leiden mußte. Das Laubheu wurde dann auf großen Mühlen gemahlen und zu Laubheukuchen (ähnlich den Kokoskuchen) gepreßt, um so als Pferdefutter, besonders für Heu zu dienen. Für den Zentner trockenes Laubheu wurden 18 M bezahlt. Unsere Schule sammelte reichlich 13 Zentner. Mit dem Nesselertrage erzielte die Schule einen Reinertrag von 255 M.

 

Schüler-Bibliothek

Genannter Betrag wurde zur Anschaffung einer Schülerbibliothek verwendet. Leider waren die Bücher im Preise auch dermaßen gestiegen, daß nur 73 Bände dafür konnten erstanden werden. Um den Sammlern auch für die spätere Zeit noch zu dienen, wurden in erster Linie Bücher für die reifere Jugend gewählt.

 

Waffenstillstand & Revolution.

Infolge des plötzlichen Waffenstillstandes kehrten unsere Feldgrauen zuletzt schneller heim als man erwartet hatte, leider alle ohne Sang und Klang und dabei vielfach einzeln bei Nacht und Nebel. Sämtliche Ordnung scheint wegen der ausgebrochenen Revolution mit einem Tage verschwunden. Unermeßliche Mengen an Staatsgut wurden von den heimkehrenden Soldaten teils eigenmächtig, teils mit Erlaubnis der s. g. Soldatenräte unterschlagen und mit in die Heimat gebracht. Im benachbarten Worpswede schlugen die Wogen der Revolution zu Anfang auch recht hoch, da in dem Kommunistenneste Ostendorf (Vogeler, Bäumer, Uphoff & Störmer) der Boden gut vorbereitet war. Schon in den ersten Tagen bildete sich deshalb auch dort gleich ein s. g. Arbeiterrat, und er wurde in politischen Versammlungen dort und in der Umgegend stark gewählt.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 

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